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ÖGP-Projekt Bitterfeld-Wolfen

Rahmendaten

Lage: Landkreis Anhalt-Bitterfeld, Stadt Bitterfeld-Wolfen
Größe: 1.300 ha
Der Projektbereich umfasst im Wesentlichen die Flächen des heutigen Chemiepark Bitterfeld-Wolfen.
Schadstoffpotenzial: Das Schadstoffinventar ist überwiegend geprägt von chlororganischen Verbindungen. Gut lösliche Stoffe sind flächendeckend im Grundwasser zu finden. Andere Substanzen gehören zu den persistenten Schadstoffen und lagern sich bevorzugt an Bodenpartikel und an Schwebstoffe in Fließgewässern an.
Sicherungsmaßnahmen: Abtromsicherungen zur Verhinderung der Ausbreitung kontaminierten Grundwassers in Verbindung mit einer flächenhaften Überwachung, Quellensanierung im Boden durch Bodenaustausch, Abdeckung und Einkapselung.

Industriell-gewerbliche Nutzung unter den Aspekten der Gefahrenabwehr

Die heutige Doppelstadt Bitterfeld-Wolfen zählt zu den ältesten Industriestandorten in Deutschland. Durch Synergieeffekte mit dem Braunkohlenbergbau, der in der Region bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts umging, entwickelte sich hier ab den 1890er Jahren besonders die chemische Industrie.

Im Zuge der intensiven industriellen Nutzung, durch unsachgemäßen Umgang mit Chemikalien und Abfällen in den Produktionsprozessen, Havarien, ungesicherte Ablagerung von Industrieabfällen in Tagebaurestlöchern und in geringem Maße auch durch Kriegseinwirkungen gelangten Schadstoffe in den Boden, die im Laufe der Jahrzehnte bis in das Grundwasser und darin in bis zu 50 m Tiefe vorgedrungen sind.

Mit der Aufstellung eines Sanierungsrahmenkonzeptes im Jahr 1995 wurden Randbedingungen geschaffen, um trotz der extrem hohen Belastungen, vor allem des Grundwassers, aber auch des Schutzgutes Boden, mit verhältnismäßigen Mitteln eine industriell-gewerbliche Nutzung der Flächen zeitnah zu ermöglichen bzw. weiterhin dauerhaft zu gewährleisten. Sanierungsziele für den Boden waren deshalb zunächst die Beseitigung akuter Gefährdungen an der Oberfläche, dann die Revitalisierung für die weitere Nutzung und die Beseitigung nutzungsspezifischer Gefährdungen sowie die Sanierung der maßgeblichen Quellen für die Grundwasserbelastung. Die bodenseitige Sanierung bedeutet im ÖGP nicht, dass keine Belastungen mehr vorhanden sind. Sie bedeutet, dass nur noch Belastungen vorhanden sind, die unter Berücksichtigung der Nutzungssituation als Industrie- und Gewerbegebiet, nicht gefahrenrelevant sind (Details siehe Sanierungsrahmenkonzept).

Von den ehemals 18.000 Arbeitsplätzen vor 1990 sind nach anfänglichem Verlust von 12.000 Arbeitsplätzen jetzt wieder ca. 11.000 Menschen (Quelle: www.chemiepark.de) im Chemiepark in mehr als 300 Unternehmen, darunter die Bayer Bitterfeld GmbH, Evonik Operations GmbH, Dow Deutschland Anlagengesellschaft mbH, Heraeus Quarzglas GmbH, Guardian Flachglas GmbH und viele mehr, beschäftigt.

Sicherung und Sanierung des Grundwasserschadens

Der Grundwasserschaden umfasst weitgehend das gesamte rund 1.300 Hektar große Werksgelände. Aufgrund der Fließrichtung in Richtung Mulde besteht die Gefahr, dass sich das schadstoffbelastete Grundwasser auch auf andere Bereiche der Stadt bzw. der Ortsteile ausbreitet.

Schwerpunkt des Ökologischen Großprojekts (ÖGP) Bitterfeld-Wolfen sind daher die Maßnahmen zur Sicherung und Sanierung des vorhandenen Grundwasserschadens. Die Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen des ÖGP Bitterfeld-Wolfen konzentrieren sich auf zwei wesentliche Ziele:
•    die Ausbreitung des Grundwasserschadens und damit verbundene Gefährdungen für Grund- und Oberflächenwasser zu verhindern sowie
•    Gefahren für Mensch und Umwelt durch kontaminiertes Grundwasser zu verhindern, das in oberflächennahe Bereiche aufsteigt.

Um die Ausbreitung des belasteten Grundwassers zu verhindern, sind in den vergangenen Jahren mehrere Abstromsicherungen gebaut worden. Dabei handelt es sich um Brunnenriegel, über die kontaminiertes Grundwasser gehoben und gereinigt wird, z. T. unterstützt von Horizontaldrainagen.

Um die Sanierungsziele zu erreichen, müssen diese Abstromsicherungen dauerhaft betrieben werden. Eine vollständige Dekontamination des belasteten Grundwassers ist aufgrund der Dimension des Schadens in überschaubaren Zeiträumen nicht realistisch.

Über die Brunnenriegel werden jährlich etwa 2-2,7 Mio. Kubikmeter Grundwasser gehoben, abgeleitet und aufwändig gereinigt. Für die weit mehr als 200 durchgeführten Einzelmaßnahmen des ÖGP Bitterfeld-Wolfen sind bislang rund 430 Mio. Euro aufgewendet worden.

Das ÖGP Bitterfeld-Wolfen steht in enger Wechselbeziehung zu anderen Projekten um Bitterfeld. Dazu gehören z. B. die Projekte „Chemieparksicherung Bitterfeld-Wolfen“ und „Stadtsicherung Bitterfeld“.

Aktuelle Schwerpunkte in der Projektbearbeitung

Nachdem in den ersten Jahren und Jahrzehnten nach 1990 die Hauptaufgabe in der Bestandsaufnahme der Schäden und der akuten Gefahrenabwehr bzw. Wiedernutzbarmachung des Standortes durch Bodensanierung/Bodenaustausch und die Errichtung der Abstromsicherungen bestand, haben sich inzwischen die Aufgaben etwas geändert. Die unmittelbar erforderlichen Bodensanierungen sind weitestgehend abgeschlossen. Bodenseitige Gefahrenabwehrmaßnahmen treten mittlerweile nur noch investitionsbegleitend bzw. bei Nutzungsänderungen auf. Auch die wesentlichen Abstromsicherungen laufen teilweise schon seit 30 Jahren und sichern den Schadstoffabstrom aus dem Chemiepark zuverlässig.

Durch Abbauprozesse und Frachtentzug im Rahmen der Grundwasserhebungen sowie die verringerte Nachlieferung von Schadstoffen, ergeben sich nun in Teilbereichen auch Möglichkeiten zur Umsetzung von Maßnahmen, die auf natürlichem Schadstoffabbau in situ beruhen (NA/MNA).

Darüber hinaus treten mittlerweile weniger technische Probleme bei der Hebung und Ableitung auf, die sowohl auf Schadstoffreduzierung und Stabilisierungsprozesse im Untergrund als auch auf technologische Verbesserungen und Optimierungen im Betriebsablauf zurückzuführen sind.

Bis ca. 2015 stellten die Erkundung, Bewertung und Bewältigung der Auswirkungen der Hochwassersituationen 2010/2011 und 2013 auf die Grundwassersicherungsmaßnahmen eine große Herausforderung dar. Die Wirkung der Abstrom- und Flurabstandssicherungen war in diesem Zeitraum insbesondere durch das Erreichen der Kapazitätsgrenzen der Fördertechnik geprägt. Die aktuelle Entwicklung steht eher unter dem Einfluss der von 2018 - 2023 anhaltenden Trockenperiode. Die daraus resultierenden niedrigen Grundwasserstände haben zu deutlichen Reduzierungen der Hebungsmengen geführt, die in den Flurabstandssicherungen bis hin zu einer vollständigen Außerbetriebnahme in den Sommermonaten reichten.

Vor dem Hintergrund des Klimawandels ist davon auszugehen, dass das hydraulische Sicherungssystem auf schwankende Ereignisse reagieren muss. Perspektivisch wird daher auch im ÖGP über eine Nutzung der jährlich 2–2,7 Mio Kubikmeter gehobenen und gereinigten Grundwassers nachzudenken sein.

Wichtige Meilensteine im Überblick

1994
  • Erfassung Sachstand, Konzepterarbeitung
1994-1999
  • Sofortmaßnahmen im Boden- und Oberflächengewässerbereich
  • Systematische Erkundung der Teilflächen des Werksgeländes und der Deponien
  • Inbetriebnahme des "Bayer-Riegels" (heute: Abstromsicherung Nordost)
  • Aufbau eines systematischen Grundwasser-Monitorings
1999-2006
  • Errichtung der Brunnenriegel (Abstromsicherungen) sowie der zugehörigen Reinigungsanlagen
  • Detailerkundungen und Sanierungsuntersuchungen für Teilflächen und Altablagerungen
  • Bodensanierungsmaßnahmen
seit 2007
  • Kontinuierliche Optimierung der Abstromsicherungen
  • Fortsetzung der Erkundung von Schadstoffquellen
  • Lokale Quellensanierungsmaßnahmen wie
    -Quellensanierung Chlorbenzole durch Bodenaustausch mittels Großbohrlochverfahren,
    -Hotspot-Sanierung einer HCH-Ablagerung durch Bodenaustausch,
    -Sanierung der Absetzbecken "Klärteiche Süd“ durch Stabilisierung und Abdeckung
  • Untersuchung von Belastungen außerhalb der Kernfläche des ÖGP, insbesondere in der Spittelwasseraue, der Muldeaue sowie in der Fuhneaue und im Stadtgebiet von Bitterfeld
seit 2020
  • Entwicklung und Umsetzung von Bodenmanagementkonzepten im Zusammenhang mit größeren Bodeneingriffen
  • Konzeptionelle und planerische Vorbereitung von zwei lokalen Grundwassersicherungsmaßnahmen (Nordabstrom Sekundärschadstoffquelle Stadtgebiet Bitterfeld und Dichlormethanbelastung in der Fuhneaue)
  • Neuaufstellung des großräumigen Grundwasserströmungsmodells